Category: Story
Nov 1
E-Manyatta Olorika Teil 1
Wieder einmal ein Gruß aus dem Maasailand in den LOITA Hills im Südwesten von Kenya. Diesmal ein etwas anderer Bericht, ein Bericht über das wichtigste Ereignis im Leben eines Maasai-Mannes: die E-Manyatta Olorika, „the Settlement of the Stool“. Eine Manyatta, eine sogenannte temporäre Siedlung aus igluartigen Lehmhütten (errichtet von den Frauen) wird immer dann gebaut, wenn ein wichtiges kulturelles und traditionelles Erreignis im Leben der männlichen Mitglieder des Maasai-Volkes stattfindet. Wie bereits früher einmal berichtet, wird das Leben der Maasai von jahrhundertealten traditionellen Riten und Zeremonien durchwoben. Bei der Geburt eines Sohnes wird die Mutter besonders verwöhnt und bekommt zur Stärkung ein Blut-Milch Gemisch, das beste Stück vom Lamm und es wird Honigbier zubereitet, um zu feiern, während die Geburt eines Mädchens oft kaum beachtet wird. Von besonderer Bedeutung sind die verschiedenen Stadien der “Initiation” mit der Beschneidung als Höhepunkt. Und von diesem Zeitpunkt an gibt es dann die Zugehörigkeit zur “Beschneidungsgruppe” oder späteren Altersgruppe, das heißt, alle Buben und Jugendlichen, die im großen Das Kriegerstadium verliert im übrigen Maasailand mehr und mehr an Bedeutung, doch die Loita-Maasai, die sich als letzte Hüter der Maasaikultur betrachten, praktizieren weiterhin diesen Brauch. Das Ende des Kriegerstadiums wird mit einem großen Fest gefeiert (die sogenannte Eunoto Zeremonie), für das auch eine Manyatta errichtet wird. Erst durch die Manyatta des Stuhles, bei der die Generation der 35- bis 45-Jährigen durch die Überreichung eines vierbeinigen Schemels in den „Ältestenstand“ erhoben werden und die rechte und linke Beschneidungsgruppe zu einer gemeinsamen Altersgruppe (Age-set) vereint wird, bekommt der Mann das Recht, in öffentlichen Versammlungen das Wort zu erheben. Erst ab diesem Zeitpunkt hat sein Wort Gewicht und er kann Entscheidungen für die Gemeinde mittragen und mitbestimmen. E-Manyatta Olorika Teil 2Mitte Juli haben die Frauen begonnen, auf einem vom Loibon bestimmten Areal in zwei großen Ovalen angeordnete temporäre Häuser aus Reisig, mit Kuhdung und Lehm verputzt, zu errichten. Insgesamt sind 268 Hütten gebaut worden, ein imposanter Anblick. In vielen vorbereitenden Riten bei denen alle bestehenden jüngeren und älteren Altersgruppen ihre Aufwartung machen wird die Vereinigung der rechten und linken Gruppe zu einem Age-set vorbereitet, es werden Versöhnungsfeste gefeiert, alte Schulden beglichen, Familienkonflikte beseitigt, Missverständnisse ausgeräumt und bei allem fließt natürlich auch viel Honigbier und es werden viele Tiere geschlachtet und verzehrt, von deren Fleisch Frauen und Kinder nur das „abbekommen“, was die Männer übrig lassen. Den Abschluss bildet die Überreichung des vierbeinigen Zeremonienschemels und die Ernennung jedes einzelnen Mannes zum Ältesten. Jedes einzelne Fest ist ein farbenprächtiges Spektakel und zieht viele Schaulustige an. Trotz aller Farbenpracht und überschwänglichen „Partystimmung“ in der Manyatta stimmt mich die Abhaltung dieser Zeremonie nachdenklich. Unsere Patientenzahlen, die wegen der Dürre und des Rindersterbens seit Beginn des Jahres rückläufig waren, da offensichtlich kein Geld für medizinische Behandlung ausgegeben werden will, sind wieder etwas steigend. Der Hauptgrund dafür ist eben diese MANYATTA, die etwa 2 km vom Health Centre entfernt errichtet worden ist. Und weil das Wasser rar und nicht allzu sauber ist, auch weil es keine Toiletten gibt (unser Angebot Latrinen zu bauen wurde abgelehnt, da die Maasai traditionell keine Toiletten benützen wollen, sondern ihr Geschäft im Busch verrichten), gibt es viele, die krank werden. Vor allem die Kinder, die bei den Frauen sind, haben starke Verkühlungen und Durchfallerkrankungen, auch Verbrennungen sind an der Tagesordnung. Und nun, da die Feiern losgegangen sind, fließt das Honigbier in großen Mengen, und wo es Alkohol gibt, kommt es auch zusätzlich zu „Unfällen“ aller Art. Und weil wegen der Kälte in der Nacht natürlich alle eng „zusammenkriechen“ und außerdem alle zur gleichen Altersgruppe gehören, wird wahrscheinlich auch die HIV-Rate steigen. Wir vom Health Centre versuchen zumindest durch Gesundheitserziehung und HIV-Aufklärung in regelmäßigen „Manyatta-Besuchen“ eine Verhaltensänderung zu erreichen. Vielleicht können wir doch etwas bewirken und in Zeiten von HIV/ Aids diesen alten Brauch der „legalen Promiskuität“ innerhalb der Altersgruppen durchbrechen. Seit Jahresbeginn haben wir mehrere Frauen-Workshops abgehalten, zu denen die Frauen aus allen Teilen von Loita eingeladen werden. Den Teil über Frauenrechte hat die kenyanische Organisation „Amani Communities Africa“ übernommen, deren Aktivitäten von der Aktion „Sei So Frei“ Innsbruck finanziert werden. Den medizinischen Teil mache ich mit meinen Mitarbeitern. Immer wieder werden jetzt Stimmen laut, dass Stärkung der Frauen in ihren Rechten nur dann einen Sinn macht, wenn die Männer den Frauen ihre Rechte zulassen und geben. Eine archaisch strukturierte Gesellschaft wie die Loita Maasai, die nicht einmal ihren jungen Männern Rechte einräumt, wird dies jedoch noch weniger für die Frauen tun. Und so hoffen wir, dass wenigstens die junge Generation der Vierzigjährigen nach der „Manyatta des Stuhles“ sich nicht nur um ihre eigenen Rechte in der Gesellschaft bemüht, sondern auch die Frauen mit einschließt. Ich schreibe dies bei wolkenlosem Himmel, an dem die Sonne unbarmherzig brennt. Regen ist nicht in Sicht, auch wenn die Metheorologen |